Die Entscheidung der niederösterreichischen Volkspartei, in öffentlichen Dokumenten nicht mehr zu “gendern”, hat einmal mehr gezeigt, dass es auf dem Weg zur Gleichberechtigung nicht immer nur vorwärts geht.
Das alleinige Verwenden der männlichen Formen von Wörtern wird oft als neutral angesehen, jede Abweichung davon als “gendern” bezeichnet. Dabei ist das generische Maskulinum die ursprünglichste Form des Genderns. Erst das Miteinbeziehen der weiblichen Form oder die Neutralisierung zielt auf eine geschlechtergerechte Sprache und mehr Inklusivität ab.
Grundsätzlich gibt es 3 Formen des Aufbrechens der männlich dominierten Sprache: die Feminisierung (2 Geschlechter werden genannt), die Neutralisierung (grammatisch geschlechtsneutrale Form oder Substantivierung) oder das Genderzeichen (Trennzeichen zwischen männlicher und weiblicher Form). Die Verwendung des Genderzeichens hat den Vorteil, dass auch Menschen, die sich weder dem weiblichen noch dem männlichen Geschlecht zugehörig fühlen, mit einbezogen werden.
Ganz banal gesagt: Die Gleichbehandlung ist in Österreich per Gesetz verankert. Und da ist es nur folgerichtig, wenn in der geschriebenen und gesprochenen Sprache auch alle Geschlechter sicht- und hörbar sind. Gerechte Sprache allein sorgt natürlich nicht automatisch für Gleichbehandlung, trägt aber ihren Teil dazu bei und sollte nicht unterschätzt werden.
“Aber Frauen sind doch mitgemeint!” lautet ein oft vorgebrachtes Gegenargument. Dass dem nicht so ist, haben Studien widerlegt. In den Köpfen von Menschen formen sich eben doch unterschiedliche Bilder, je nachdem, ob sie zum Beispiel “Ärzte” oder “Ärztinnen und Ärzte” zu hören bekommen. Sprache formt unsere Welt und die Wahrnehmung davon. Wo ausschließlich Männer angesprochen werden, wird nur an Männer gedacht. Frauen werden sichtbarer, wenn sie auch zu hören oder zu lesen sind.
Sprache ist außerdem seit jeher im Wandel begriffen. Sie ist kein ewig starres Konstrukt und hat schon viele Veränderungen durchlebt. Auch war geschlechtergerechte Sprache schon im 18. Jahrhundert in Deutschland ein Thema. Schriftsteller Johann Christoph Gottsched schrieb in seiner “Grundlegung der deutschen Sprachkunst”: Man solle immer dann Bezeichnungen wie “Oberstinn”, “Hauptmännin” oder “Doctorin” nutzen, wenn Frauen diese Funktion ausüben.
Ein letzter nicht wissenschaftlich belegter, aber für mich sehr wichtiger Grund ist Rücksichtnahme. Sicher, es mag zu Beginn ungewohnt sein, seine Sprech- und Lesegewohnheiten zu ändern. Veränderung ist anstregend und braucht Zeit und gefühlt aufgedrängte Veränderung kann zu trotzigen Reaktionen führen. Aber wenn ich durch diese Änderung meiner Sprache und meines Schreibens dazu beitragen kann, dass sich mehr Menschen inkludiert und wahrgenommen fühlen, spricht für mich eigentlich alles dafür und nichts dagegen.
Wem nun aber beide Formen, ein Sternchen oder ein Doppelpunkt immer noch zu mühsam sind: einfach das generische Femininum verwenden. Das wäre zur Abwechslung nach Jahrhunderten etwas Neues. Alle anderen sind mitgemeint!